Die Armee in der Schweiz, für manche der pure Horror, für andere die beste Zeit ihres Lebens und für wiederum andere ein notwendiges Übel. Für alle jungen Männer gleich, spätestens ab dem 18. Geburtstag muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen. Ich habe mich schon ein wenig früher mit der Situation auseinandergesetzt und mittels einem Vorkurs dafür gesorgt, dass ich zu den Motorfahrern eingeteilt werden.
Sobald dann der Marschbefehl für die Rekrutenschule im Briefkasten liegt und der letzte Arbeitstag im zivilen Leben näher rückt beginnt man sich zu Fragen: Was passiert dort? Wie ist das jetzt mit dem, schon fast legendären, „weitermachen“. Wird man wirklich gezwungen? Fragen über Fragen, aber für mich stand fest: Ich werde meine 300 Diensttage als einfacher Soldat beenden und mich dann wieder auf mein Leben als IT-Nerd konzentrieren.
So rückte ich also am 14. März 2016 in Burgdorf in meine Rekrutenschule ein. Was ich noch nicht wusste: es sollte ein langes Abenteuer sein.
Ich wusste bereits während den ersten Wochen, dass ich wahrscheinlich nicht auf meinen 300 Diensttagen sitzen bleiben werde. Ich habe mich dann auch recht schnell für den „Ganz oder gar nicht“ Weg entschieden. Genau, ich wollte den Weg zum Offizier der Schweizer Armee in Angriff nehmen. Um zurück auf meine 300 Diensttage zu kommen… Die Anzahl Diensstage hat sich soeben verdoppelt. In meinem Fall, als Durchdiener, werde ich diese auch gleich am Stück leisten, halt eben ganz oder gar nicht. Manche mögen sich jetzt vielleicht Fragen: Warum? (Ja diese Frage habe ich viel zu hören bekommen)
Die Antwort ist leicht zu beantworten: Erfahrungen sammeln, sich selbst besser kennen lernen und schlussendlich fähig sein, über seinen eigenen Schatten zu springen. Und genau diese Dinge sind nirgends einfacher zu erfahren und lernen als auf dem Weg zum Offizier. Und ich war und bin immer noch überzeugt, dass mir all diese Dinge später im zivilen Leben nützlich sein werden.
So rückte ich also höchst motiviert im Sommer 2016 in die Offiziersschule in Bern ein, und hatte sogleich eine der beiden legendären Wochen vor mir. Es wird immer gemunkelt das die erste und die letzte Woche extrem Intensiv sind, und dem ist wirklich so! Aber wie gesagt, es wird gemunkelt. Genau das macht auch den Reiz der beiden Wochen aus, dass man nicht genau weiss was einen erwartet. Deshalb werde auch ich nicht gross darauf eingehen. Selber erleben macht Spass 😉
Grundsätzlich sind aber die Wochen in der Offiziersschule immer ähnlich Aufgebaut. In den ersten Wochen ist man viel auf zwei Rädern unterwegs, man „schläft“ immer in spannenden und neuen Unterkünften. Es gibt auch diverse sportliche Aktivitäten und vor allem aber viel Ausbildungen über das gesamte militärische Handwerk. Und das wichtigste: Man kann extrem viel Führungsaufgaben übernehmen.
Und genau hier kann jeder extrem viel Profitieren und Erfahrungen sammeln, wie es sonst im zivilen Leben nicht möglich ist. Man hat einen Auftrag, macht sich seine Überlegungen und hat Ideen dazu. Dann steht man vor seine Kameraden, gibt die Aufträge weiter und fährt dann die ganze Geschichte ziemlich gegen die Wand. Die Kameraden sind dann sauer weil vielleicht eine Stunde wertvoller Schlaf verloren geht (was aber keine Rolle spielt, Schlaf hat man sowieso selten viel). Aber that’s it! Man setzt sich hin, reflexiert was passiert ist, gibt die Aufträge erneut und jetzt funktioniert es (meistens). Das Motto: Mache Fehler, aber NIE zwei mal den selben wird dabei gross geschrieben. Und wenn jemand nicht glaubt, dass man aus Fehlern am besten lernt, der wird es spätestens in den 10 Wochen Offiziersschule lernen.
Während dem ganzen Führen von Kameraden fällt einem jedoch auch auf, wie mühsam eben das (militärische) Führen von Kameraden ist, welche schlussendlich alle Zugführer sind. Man kann sich das ca. so vorstellen: Der Auftrag ist allen bekannt, jeder macht sich seine Gedanken wie er den Auftrag lösen und verteilen würde. Aber nur einer ist in dieser Phase der Chef. Er verkauft uns also seine „Kampfidee“ und mindestens 3 Rufen dazischen: „Wow, wie dumm ist das? Klappt ja nie!“ und zwei andere sagen zueinander: „Haha, er hat X und Y vergessen, Pfeiffe“. Kurz gesagt: Jeder weiss es besser als der, der Vorne steht und eigentlich der Chef ist. Aber ich habe mir sagen lassen, dass das immer so war, immer so ist und vermutlich auch immer so bleiben kann. Ist wohl ein kleiner Nachteil der geschlossenen Lernumgebung.
Extrem Spannend zu beobachten während den 10 Wochen war dann die Lernkurve die jeder hingelegt hat. Wenn man in den ersten 2 Wochen für einige Aufgaben vielleicht eine Stunde benötigt, schüttelt man Ende OS solche Dinge in 10-20 Minuten aus dem Ärmel. Natürlich liegt es auch daran, dass diverse Dinge einen gewissen Standard haben, aber jeder Chef bringt dann noch seine eigenen guten Ideen mit ein, denkt 2-3 Teilschritte voraus und (Achtung, typische Militärfloskel) schaut in die nächste Geländekammer.
Das absolute Highlight der Offiziersschule ist dann Woche 9. Die sogenannte Durchhaltewoche. Die Feuerprobe für alle und jeden und schlicht und eine ziemlich unvergessliche Zeit. Damit die ganze Woche auch weiter vom Mythos lebt unterlasse ich eine detailierte Beschreibung und lasse einfach einige Bilder sprechen.
Fazit
Wenn jemand auch den Weg zum Offizier einschlagen will muss er sich einfach folgendem bewusst sein:
Man muss zu 1000% wollen und ein Ziel vor Augen haben! Ich erlebte viele Momente in denen ich mich gefragt habe: „Sh*t was mache ich hier?“ Sobald Zweifel da sind oder man sein Ziel aus den Augen verliert ist es dann extrem schwierig, am Morgen aufzustehen mit dem gewissen, dass man dann wieder eine Woche im Freien verbringt, 50km marschieren geht oder die ganze Nacht Wacht schieben muss. Weiter muss man, aus meiner Sicht, auch ein wenig Verrückt sein, und Freude an der Challenge haben. Verrückt und Challenge beziehen sich vorallem auf die 100km am Schluss 😉 Und, vielleicht der ungewöhnlichste Punkt: Nie den Humor verlieren. Jede Nachtübung wird gleich viel besser, wenn man mal noch einen Witz über die aktuelle Lage machen kann. Generell ist es wichtig, dass man alles mal noch mit einem Lachen hinnimmt. So geht man viel offener an Dinge heran, die einem vielleicht sonst ein wenig Nerven würden.
Abschliessend möchte ich sagen: Es waren manchmal sehr lange Tage und Wochen, oft körperlich anstrengend und zu jeder Zeit psychisch herausfordernd. Aber ich würde meine Entscheidung die Offiziersschule zu absolvieren jederzeit wiederholen. Ich habe keine einzige Sekunde bereut und habe so viel Erfahrungen gesammelt auf welche ich noch lang zurückgreifen kann.
Jetzt aber genug erzählt, jeder muss die Erfahrungen selber machen, seine Kampfidee vor den eigenen Kollegen verkaufen und schlussendlich die 100km selber laufen. Ich kann es jedem nur wärmstens Empfehlen.